Verfremdungen
Die Texte von RH sind durch Neologismen und weitläufige Satzverschachtelungen verdunkelte Texte. Verdunkelt wird ihre Bedeutung, deren Nachvollzug dadurch erschwert wird.
Durchsetzt sind die Texte mit ungebräuchlichen Fremdwörtern – oft aus ihrem ursprünglichen Kontext verschoben –, sowie Neuschöpfungen oder Wortverpflanzungen aus anderen Sprachen – aus dem Griechischen, Lateinischen, Englischen oder Französischen. Die Fremdsprachenwörterbücher, die auf seinem Schreibtisch liegen, empfindet er als Schutzgeister, mit deren Hilfe er sein Schreiben entschulden will.
Die Sprache wird gequält, wird zu einer sperrigen Sprache, die sich dem Verständnis entzieht, dem Verstehen als einer konsumatorischen Aneignung, die dem Mutter-Sohn-Inzest entspricht. Der Abwehr dieses Inzests entspricht die Textverfremdung. Schreiben ist eine inzestuöse Assimilation des Mutterkörpers, und die Schriftverfremdung ist eine Inzestabwehr, eine Einbringung von Differenz.
Für RH ist Schreiben ein primärprozessueller Vorgang, die Fortsetzung des träumenden Schlafs. Nachdem er sich mit dem Wecker früh morgens aus dem Schlaf gerissen hat, begibt er sich in das Zimmer seiner Frau, nur dort kann er schreiben.
RH und HH leben in zwei karg eingerichteten Ein-Zimmer-Appartements auf verschiedenen Etagen in einem Mietshaus, dessen mit Teppichen ausgelegte Flure an ein Hotel erinnern. Im Zimmer von RH befinden sich einige Bücher, bis auf wenige andere nur seine eigenen. "Vergeblich auch wird man die Bibliothek suchen, verblieb nur ein Bücherrest wie eine eng individualisierte Zitatensammlung, bar der Zitierensverpflichtung – das Pathos des Selberschreibens verträgt die Materialität der ab-zulesenden Fremdschrifthypotheken nicht." (PGS VI, 198)
Bauen - Wohnen - Denken. Besetzen - Hausen - Plündern. Zur ganzen Restästhetik unserer Wohnungseinrichtung; in: Pathognostische Studien VI, 198
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