Themen
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Gewalt
Der Widerspruch zwischen dem Selbstbewusstsein als Anspruch auf Selbstverfügung und der Sterblichkeit als radikaler Heteronomie macht den Menschen zu einem Gewaltwesen. Gewalt ist Ausdruck der Unmöglichkeit, diesen Abgrund zu schließen.
Zivilisation/Kultur ist das Ergebnis todestriebbestimmter Gewalt- und Schuldveräußerung, die sich in ihren Produkten scheinbar exkulpierend verschließt. Kultur basiert auf Ausbeutung und Zerstörung von Natur: Opfergewalt der Produktivkräfte. Die Naturzerstörung ist eine Gegengewalt gegen die Gewalt der Natur als Sterblichkeit.
Das Opfer der Arbeitskraft soll diese Gewalt entschulden. Und die Produkte der Produktion werden zu Waren fetischisiert. Die Ware als Fetisch (ihre Schönheit) verhüllt die Produktionsgewalt.
Die Vorstellung von Schuldfreiheit ist eine Illusion, die eine Gewaltsteigerung zur Folge hat. Nur scheinbar verschwindet die Schuld in den Dingen oder in der Vorstellung eines autarken Subjekts.
Durchsetzt von Gewalt ist die frühkindliche Entwicklung, diese wird beherrscht von einer Indifferenz-Differenz-Dramatik (Inzest vs. Inzesttabu). Zunächst gibt es die Gewalt der Geburt (Geburtstrauma), dann den oralen Kannibalismus (Gewalt des Essens) und schließlich die Gewaltsteigerung in der »analen Phase«.
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Anschlüsse
Byung-Chul Han, Kapitalismus und Todestrieb. Essays und Gespräche, 13:
"Die spezifisch menschliche Aggression, die Gewalt, hängt eng mit dem Todesbewusstsein zusammen, das allein dem Menschen eigen ist. Eine Akkumulationslogik beherrscht die Ökonomie der Gewalt. Je mehr Gewalt man ausübt, desto mächtiger fühlt man sich. Die akkumulierte Tötungsgewalt erzeugt ein Gefühl des Wachstums, der Kraft, der Macht, der Unverwundbarkeit und der Unsterblichkeit. Gerade auf diesen Machtzuwachs geht der narzisstische Genuss zurück, den die sadistische Gewalt mit sich bringt. Töten schützt vor Tod. Mehr an Tötungsgewalt bedeutet weniger an Tod."
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