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Krankheit
Krankheit ist das Anhaften der Dinge am Körper, die Blockade der Dingausfällung, Kurzschluss von Körper und Ding als Zerstörung ihrer Vermittlung (Gedächtnis). Die Vermittlung löst sich nicht ab vom Körper, bleibt an ihm haften – dies meint die Rückeinschneidung des Dings in den Körper. Krankheit ist die Re-Introjizierung der sich der Projektionsveräußerung verdankenden Dinge, die Rückaneignung des dingkonstitutiven Opfers ( Muttermord), Aneignung des destruktiven Potentials der Dinge. Krankheit ist Ausdruck des Begehrens des Körpers nach Absolutheit, denn der Körper will zugleich Körper und Ding sein.
Das Ding ist die Verhüllung der Schuld seiner Produktion und in der Krankheit wird die in den Dingen eingeschlossene Schuld in den Körper rückeingebildet zum Symptom.
Das dingkonstitutive Opfer ist der Muttermord, vollstreckt in den toten Dingen, dies macht ihre Entschuldungspotenz aus. Krankheit ist die Rückaneignung dieser Entschuldung als Verschuldung.
In der Krankheit versucht sich die Schuld in der Scham zu vernichten, indem sie die Hülle zerstört, in der sich die Schuld epikalyptisch verdichtet. Die Hülle ist das autonome Ich / die Gottheit / die Dinge als Phantasma der Exkulpiertheit.
Krankheit ist eine ungekonnte, nicht-intentionale Schuldthematisierung, eine frustrane Schuldflucht. Der Kranke wird zum Schuldaufriss an sich selber. Krankheit ist Widerstand in Form des Selbstopfers gegen den Unbewusstheitsverschluss im normalen Gebrauch der Dinge.
Krankheit ist der Konflikt "zwischen Indifferenzanmaßung und Differenzanmahnung" (MTA, 137).
Phobie II; in: Metastasen, 137
Notizen:
Jede Krankheit enthält ein Erlösungsphantasma.
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Anschlüsse
Je näher die Dinge rücken, je weniger sie auf Distanz gehalten werden, desto gefährdeter ist der Mensch. Abstand und Trennung ist Gesundheit, Unmittelbarkeit und Nähe bedroht mit Krankheit (Anhaften der Dinge).
Nicht nur der Raum, auch die Zeit trennt uns von den Dingen. Erfahrung von Präsenz oder Vergegenwärtigung von Vergangenem führt in die Nähe von Krankheit.
Maurice Merleau-Ponty, Phänomenologie der Wahrnehmung, 338:
"Was den gesunden Menschen vor Delirien und Halluzinationen bewahrt, ist nicht sein kritischer Geist, sondern die Struktur seines Raumes: die Dinge bleiben vor ihm stehen, sie wahren Abstand und berühren ihn, wie Malebranche von Adam sagte, nur mit Respekt. Halluzinationen wie Mythen hingegen entstehen aus einer Schrumpfung des Lebensraumes, einem Wurzelschlagen der Dinge in unserem Leib, einer schwindelerregenden Nähe der Gegenstände, einer Verschlingung von Mensch und Welt."
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