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Triebtheorie
Beim Menschen gibt es keine »natürlichen« Triebe, wenn man Triebe als Repräsentationen von Triebspannungen versteht. (Freud bezeichnete die Triebe als "unsere Mythologie".) Jede Triebregung ist überformt vom inzestuös-narzisstischen, das Selbstbewusstsein ausmachenden Begehren nach Selbstgründung, vor dem nur die verdinglichende Repräsentation schützt.
Sich selbst sein eigener Ursprung sein – also der Ödipuskomplex, gesteigert zum Narzissmus und schließlich zum Todestrieb, wobei es immer um Autokreation geht –, dies ist der Inbegriff des Triebes, weil menschlich alle » natürlichen« Triebe immer schon vom Begehren überformt sind. Das Begehren geht auf Absolutheit, auf seine eigene Abschaffung in schuldfreier Autarkie: das Gottesphantasma. Insofern sind alle Triebdarstellungen Gestalten der Abwehr des Todes, das heißt Formen des Todestriebs. " Alle Triebe sind, letztlich todestrieblich, Todesabwehren, »Urverdrängungen«, die ihrer nothaften Exaltiertheit wegen abermals abgewehrt werden müssen." ( VIO, 54)
Eine Überbeanspruchung durch Triebspannungen kann pariert werden in einer entschuldenden Selbstdrogierung wie Lust oder Sucht oder Askese.
Ausführungen zur Psychoanalyse der Gewalt; in: Violentiae. Beiträge zur Pathognostik der Gewalt, 54
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Anschlüsse
Mladen Dolar, His Master's Voice. Eine Theorie der Stimme, 208f.:
"Die Triebe stellen vielmehr eine denaturierte Natur dar, sie sind kein Rückfall in eine angeblich ursprüngliche, nie überwundene animalische Vergangenheit, die uns heimsucht, sondern eine Konsequenz der Annahme der symbolischen Ordnung. Sie bemächtigen sich der organischen Funktionen und korrumpieren sie gewissermaßen – sie schaffen die natürlichen Funktionen der Organe ab und verwandeln diese in Ausläufer eines Phantom-Organs (daher Lacans Mythos der Lamelle); sie verhalten sich wie Schmarotzer, die das Organische von seiner natürlichen Bahn ablenken, ihr Schmarotzertum aber nährt sich von einem Überschuß, der durch die Invasion des Symbolischen in den Körper, durch den Einbruch des Signifikanten in die Welt des Körpers entstanden ist."
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