Pathognostik - Adipositas

Adipositas ist die Assimilierung alles Anderen, die Wegschaffung von Differenz, die Ausbreitung von Indifferenz, in der das Außen schwindet und damit auch die Selbstwahrnehmung. Adipositas ist die Vernichtung der das Leben ausmachenden Differenz.

Jede Einbehaltung ist inzestuös bestimmt, sie ist ein Festhalten an der Fusion mit der Mutterleibleiche: der Nahrung, den Dingen. Insofern ist es sinnvoll, von Einbehaltungspathologien zu sprechen.

Adipositas und Anorexie lassen sich beziehen auf den Tiefschlaf als drohende Körper-Ding-Fusion. Im Tiefschlaf ernähren sich die Dinge vom Körper, im Wachen ist es umgekehrt. Adipositas ist das vom Körper vollgefressene Ding, die Anorexie der vom Ding ausgesaugte Körper. In beiden Fällen misslingt der Übergang ins Wachen, wo sich der Körper von den Dingen ernährt, statt von ihnen gefressen zu werden. So spaltet sich die göttliche Körper-Ding-Fusion auf in ihre Extreme.

Die Bulimie ist die Ineinsbildung beider Extreme, der Anorexie und der Adipositas.

Anschlüsse

Jean Baudrillard, Die fatalen Strategien, 35:

"Der Dicke entgeht in gewisser Weise der Sexualisierung. Das heißt, er entgeht der Geschlechterteilung durch die Unteilbarkeit des vollen Körpers. Er überwindet die sexuelle Kluft durch die Absorbierung des ihn umgebenden Raumes. In übertragendem Sinne ist er mit allen Objekten angefüllt, von denen er sich nicht trennen konnte oder zu denen er nicht genügend Abstand gewonnen hat, um sie zu lieben. Er trennt den Körper nicht vom Nicht-Körper. Sein Körper ist ein konvexer oder konkaver Spiegel; er hat es nicht geschafft, einen flachen Spiegel zu produzieren, der ihn reflektieren könnte."