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Anorexie
In der Anorexie manifestiert sich das Unbewusste der Nahrung (die Schuld der Nahrungsmittelproduktion und -verteilung), der Opferprozess der Nahrungsassimilation wird selber geopfert, die Nahrung wird zum Opfergott, der mich verschlingen will.
Die Schuld der Nahrung besteht in der Ausbeutung der Natur, ohne ihr etwas zurückzuerstatten, und in der ungleichen Verteilung der Nahrung.
Als hilfloser »Schuldaufriss« ist die Anorexie eine Krankheit, die sich als Blockierung des Verhältnisses des Körpers zu seinem Außen austrägt (Nahrungsverweigung, Verstopfung, Amenorrhoe), und dem Phantasma der Bedürfnislosigkeit verfällt. Insofern ist sie eine Verkörperung des Phantasmas der Autarkie, der Absolutheit – Selbstbewusstsein als »organloser Körper«. Entsprechend gibt es eine Verwandtschaft von Anorexie und Mystik - beides Formen der Selbstvergöttlichung. Anorexie und Adipositas sind Krankheiten angemaßter Gottmenschlichkeit.
Eine Ursache der Anorexie (die Pathognostik spricht lieber von Urszene) wäre vielleicht eine Störung der intrauterinen Plazenta-Erzährung. Die wegen der Gleichgeschlechtlichkeit von Mutter und Tochter stärker ausgeprägte Indifferenzierung zwischen beiden wird dadurch verstärkt. Der vermittelnde Dritte, der hinsichtlich der Mutter-Tochter-Beziehung sowieso schwach ausfällt (weibliche Vermittlungsschwäche), rückt in die Position des Todes.
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Anschlüsse
Julia Kristeva, Dieses unglaubliche Bedürfnis zu glauben, 33:
"Das Verhalten der Anorexie bricht zwar mit der mütterlichen Linie und enthüllt den Kampf des jungen Mädchens gegen die Weiblichkeit, aber es geschieht zugunsten einer Überbesetzung der Reinheit-und-Härte des Körpers, was dem Phantasma einer absoluten Spiritualität gleichkommt: Mittels dieses Phantasmas verliert sich der Körper insgesamt in einem stark väterlich konnotierten Jenseits."
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